Mit der Anordnung des Reichsluftfahrtministeriums (RLM) unter der Führung von Hermann Göring vom 24.12.1936 zur Mobil-machung der Luftwaffenindustrie, wurde im ganzen Reich nach geeigneten Standpunkten für Fabrikationsanlagen gesucht. Neue Rüstungsbetriebe wurden vorzugsweise als sogenannte Wald-werke geplant. Diese sollten in der Nähe zu Städten und Bahnlinien entstehen. Hierzu suchten sich die Machthaber Partner aus der Industrie. Erste Gespräche fanden vermutlich Anfang 1935 zwischen dem RLM und der Firma Kupp AG statt. Im November 1935 wurde dann die Kurbelwellenwerk AG gegründet. Anteilseigner waren die Friedrich Krupp AG, Gesellschaft für Unternehmen der Eisen- und Stahlindustrie und das RLM.
Das ausgewählte Gelände befand sich auf der Großkoppel und gehörte zum Gebiet von Reinbek. Durch die zu bauende Anschluss-bahn zum Glinder Bahnhof wurde das Grundstück durch eine Gebietsreform im Jahre 1939 Glinde übertragen. Daher leiten sich auch die unterschiedlichen Bezeichnungen für das Werk ab. So stand auf den meisten Briefköpfen Kurbelwellenwerk Glinde, ver-einzelt auch Kurbelwellenwerk Reinbek was letztendlich zu der Bezeichnung Kurbelwellenwerk Hamburg (KuHa) führte.
Wie eilig es die Machthaber mit dem Bau des Geheimprojektes hatten zeigen die folgenden Daten. Denn bereits mit Kreistags-beschluss vom 10.10.1933 wurde beim Regierungspräsidenten in Schleswig ein Antrag auf Stilllegung des Personenverkehrs der Südstormarnschen Kreisbahn gestellt. Am 25.9.1935 lag bereits ein Plan des Kreises Stormarn für den Gleisanschluss vor. Anfang 1936 war der Anschluss fertig gestellt und erleichterte damit den Materialtransport zum Bau des Werkes. Im gleichen Jahr gab es auch nach langer Zeit wieder schwarze Zahlen bei der Südstormarnschen Kreisbahn. Am 8.3.1937 nahm dann der Regierungspräsident seine Genehmigung zur Stilllegung zurück.
Im Juni 1936 wurde eine Kleindiesellok aus der Kruppschen Lokomotivwerkstatt Essen angeschafft. Man wollte den im Wald getarnten Betrieb nicht durch Rauchfahnen einer Dampflok verraten. In der Bauliste der Lokfabrik wird als Kunde für die Baunummer 1470 die Kurbelwellen-Werkstatt GmbH. Abt. KuHa Reinbek genannt.
fertig geliefert werden. Die sogenannte 'Friedensfertigung' von 400 Wellen pro Monat im Einschichtbetrieb begann. Der Bevölkerung gab man vor ein Werk für Nähmaschinen erbaut zu haben. Allerdings konnte der Schlag des Schmiedehammers nicht über die wahre Produktion im Werk überhört werden. Erzählungen aus dem eigenen Familienkreis und weiterer Zeitzeugen belegen dies.
Aus der Zeit vor 1945 liegen bisher mit wenigen Ausnahmen keine Bilder vor. Daher stammen die meisten Bilder aus den Jahren nach 1945, die aber das Ausmaß der gesamten Anlage verdeutlichen. Hierzu dient der von den Briten modifizierte Gesamtplan (die Beobachtungstürme wurden nach 1945 erbaut) des Werkes mit Zustand 1945 als Überblick.
Ein Werk dieser Dimension benötigte ebensolche Mengen an Gas, Strom und Wasser. Hierzu bohrte man auf dem Gelände drei Tief- brunnen. Das Abwasser wurde auf einer eigenen Kläranlage (Gebäude 41) an der Nordseite des Geländes aufbereitet.
Zur Entwässerung des Gelände wurden an mindestens fünf Stellen Schachtabdeckungen errichtet, die fälschlicherweise eine zeit lang als Bunkereingänge tituliert wurden.
Für die Stromversorgung wurde 1936 eine unterirdische 25 kV Hochspannungsleitung direkt zum HEW Kraftwerk Tiefstack verlegt. Im Jahre 1942 kam eine zweite Leitung von Lohbrügge hinzu. Eigene Transformatoren auf dem Gelände sorgten für die Umspannung um den enormen Stromverbrauch zu gewährleisten. Ebenfalls aus Lohbrügge kam ab 1936 eine Gasleitung der Hamburger Gaswerke. Es konnte ein Bedarf von 300.000 cbm pro Monat festgehalten werden.
Solch ein Werk benötigte viele arbeitende Hände, so kann verschiedenen Aufzeichnungen entnommen werden, dass es in
der Aufbauphase an die 1000 Beschäftigten und in der Hochphase der Produktion bis zu 6000 Beschäftigte waren. Diese wurden als "Gefolgschaft" bezeichnet. Für das arbeitende Personal wurde im Werk ein Bahnsteig mit Wartehäuschen direkt am Zufahrtsgleis errichtet. Auch der Bahnhof Glinde bekam einen weiteren Bahnsteig in der abzweigenden Kurve zur KuHa. Zeitzeugen berichteten von einem Behelfsbahnsteig am Havighorster Weg um den in der Kruppsiedlung wohnendem Personal den Arbeitsweg zu verkürzen. Diese Bauwerke belegen den Personenverkehr der Kreisbahn zum Werk, wenn auch dieser bisher in keinem Fahrplan nachgewiesen ist. Eine Zeitzeugin wusste sogar noch von Fahrten mit dem Triebwagen nach 1945 zu berichten, sie arbeitete in der Berliner Funiermesserei (s.u.).
Neben der Bahn diente ein Netz von Werkbussen dem Personentransport. Einer der unten gezeigten Aufnahmen zur Folge fuhr demnach auch eine Linie ins neu errichtete Lager Wiesenfeld, welches zuvor nur zu Fuß zu erreichen war wozu das an der Nordseite des Geländes gelegene Werktor diente. Hier wurden die Zwangsarbeiter untergebracht.
Zur Lagerung von Rohstoffen und Fertigteilen wurde im Bahn-bereich eine Kranbahn errichtet. Ab 1943 reichte diese nicht mehr aus und eine zweite Anlage ergänzte die erste Kranbahn. Neben dem Gebäude 15 wurde auch das teilweise unterkellerte Gebäude 10 als Magazin genutzt.
Der Ausbau des Werkes schritt stetig voran, konnte aber durch fehlende Arbeiter und unzureichende Mengen an Rohstoffen nicht wie geplant vollzogen werden. Erst im Jahr 1939 konnte die Nitrieranlage zur automatischen Wärmebehandlung in Betrieb genommen werden.
Die Produktion von Kurbelwellen ist dem Werksnamen zu ent-nehmen. Diese vorrangig für Flugzeugmotoren aber vermutlich auch für Automotoren. Hierzu gibt es nur wenige Aufzeich-nungen. Einer Planungsliste vom Juli 1943 ist zu entnehmen, dass für die Motoren BMW 801 und Daimler Benz 601/S in Stück pro Monat 875 bzw. 2300 Wellen hergestellt werden sollten.
Trotz dieser Defizite erreichte die KuHa im April 1938 der Auftrag auf die Mobil-Fall-Fertigung umzustellen. Dies bedeutete eine Herstellung von 750 Kurbelwellen pro Monat. Um dies zu leisten wurde der Zweischichtbetrieb eingeführt was zu einer Anhebung der "Gefolgschaft" auf 1600 bis April 1940 führte. Im Januar 1939 wurde das Werk vom RLM besucht um die laufenden Kriegsvor-bereitungen zu überwachen.
Ab 1940 verfolgte das RLM die Absicht sich aus diesem Projekt zurückzuziehen. So kam es das zum 5. Februar 1941 die Krupp AG alle noch im Reichsbesitz befindlichen Geschäftsanteile übernahm. Für die Ausbildung von Fachkräften wurde im selben Jahr eine Lehrwerkstatt in Betrieb genommen. Um die Produktion weiter zu erhöhen musste das Werk weiter ausgebaut werden. Hierzu wurde im Jahr 1942 ein Anbau an das Presswerk und das Gebäude 20 als Instandsetzungshalle neu erbaut. Der stetige Bedarf an höherer Produktion machten bis 1944 den Bau der Kranbahn 2 und des Gebäudes 8a notwendig. Zu diesem Zeitpunkt erreichte die Zahl der Beschäftigten die 5000.
Parallel zu den Veränderungen vor Ort gab es Überlegungen die Rüstungsbetriebe unter Tage zu verlegen. Im Bereich Blankenburg im Harz sollte dazu ein Zentrum der Kriegswirtschaft entstehen, wobei auch die KuHa mit einer Fläche von 15.000qm Berück-sichtigung fand. Der Verlegungsbefehl erfolgte am 5. Mai 1944. Ob es dazu kam und ob dort Kurbelwellen produziert wurden ist nicht mehr zu ermitteln.
Daneben wurden Zylinderlaufbuchsen, Motorengehäuseteile und Propellernaben produziert. Ob diese Leistungen wirklich erreicht wurden lässt sich heute nicht mehr feststellen.
Auf der folgenden Luftaufnahme aus dem Jahr 1954 sind die gewaltigen Ausmaße des Kurbelwellenwerkes sehr gut zu erkennen. Die Blickrichtung geht nach Norden und am oberen Bildrand ist das Heereszeugamt zu erkennen. Am linken Bildrand befinden sich die Gleisanlagen. Die Gebäude des Lager Wiesenfeld sind in der Mitte der Aufnahme zu erkennen.
Zum Ende des Krieges vermehrten sich die Luftangriffe der Alliierten, so wurden vorrangig Industrieanlagen bombardiert. Hiervon ist das Kurbelwellenwerk so gut wie verschont worden. Nur an einem Tag im September 1943 fielen drei Bomben im Bereich der Gesenkschmie-de und den davor gelegenen Gleisen. Die notdürftigen Reparaturen waren schnell erledigt. Bei der Bombardierung des Heereszeugamtes am 6. Oktober 1944 schlug eine Bombe in das Lager Wiesenfeld ein. Die fünf darum liegenden Baracken verbrannten. Die Alliierten waren sehr gut über die örtlichen Verhältnisse informiert und erhofften sich zu dieser Zeit bereits wertvolle Maschinen nach der Kapitulation zu demontieren.